Bildquelle: Von Ralf Roletschek – Eigenes Werk, FAL.
35 Kilometer südöstlich von Berlin liegt die Gemeinde Grünheide, nur rund 8.000 Einwohner klein. Für all diese ändert sich die Realität vor der Haustür rasend schnell – und wird auch nie mehr dieselbe sein. Elon Musk und sein Automobilhersteller Tesla errichten dort eine Gigafactory – weltweit gibt es davon nur vier Produktionsanlagen – für seine Elektro-Autos der Typen Model 3 und Y. Bald sollen hier zunächst 10.500 Menschen eine Arbeit finden, langfristig sogar bis zu 40.000 – und pro Jahr erst 150.000, dann 500.000 Fahrzeuge produziert werden. Das bedeutet natürlich riesige Einschnitte in die Natur und im Bereich Emissionen. Doch damit einhergehen wird auch die Einrichtung etlicher neuer Infrastruktur – von einer neuen Autobahnabfahrt bis zur Gründung eines komplett neuen Stadtteils mit Hotels und Gastronomie. Ist die „Gigafactory“ in Grünheide also eine Chance oder eine Belastung für die Region im Großraum Berlin? Das beleuchten die folgenden Absätze von allen relevanten Seiten aus.
Rekordtempo für ein Projekt dieser Größe – in Deutschland
Vor allem eines beeindruckt bei diesem Vorhaben von enormen Dimensionen: Die Geschwindigkeit, mit der dieses Projekt realisiert wird. Erst Ende 2019 war Elon Musk mit seinen Plänen überhaupt an die Öffentlichkeit gegangen, inzwischen laufen vor Ort schon intensive Bauarbeiten – alles unter strengster Geheimhaltung, Fotografieren verboten. Nur 13 Monate soll die Bauzeit der Gigafactory betragen, schon ab Sommer 2021 sollen hier die Elektroautos vom Band rollen. Wie ist das im Land des Berliner Flughafens, von Stuttgart 21 und der Elbphilharmonie möglich? In einem Land, in dem Großprojekte gerne mal die Schwelle eines Jahrzehnts an Planungs- und Bauzeit überschreiten?
Die Antwort ist, dass Tesla alle bisherigen Maßnahmen auf eigenes Risiko unternommen hat. Heißt also: Werden bestimmte Aspekte des Betriebs nicht endgültig gestattet, muss Tesla für alle Änderungen selbst aufkommen. Ein generelles Aus für die Ansiedlung der Gigafactory in Grünheide ist zwar nahezu ausgeschlossen – aber eben nur nahezu. Während man bereits baut, kümmert man sich erst um alle notwendigen Genehmigungen.
Kritikpunkt Wasserverbrauch
Bis Anfang September hatten Bürger Zeit, Einwände gegen das immer noch nur unter vorläufiger Genehmigung laufende Projekt einzusenden. 400 einzelne Einwände kamen dabei zusammen. Der Großteil davon beschäftigt sich dabei vor allem mit einem zentralen Thema, das bei jeglicher Automobilproduktion enorme Ressourcen verschlingt: der Wasserverbrauch in der Region. Der geplante stündliche Wasserverbrauch des Werkes wurde zwar bereits durch den Verzicht auf die Produktion von Batterien von 370 auf 230 Kubikmeter pro Stunde gesenkt. Zudem soll dieser Wert, laut Elon Musk, ohnehin nur in seltenen Spitzenzeiten erreicht werden. Doch erstens ist ohnehin ein 24h-Betrieb in drei Schichten in dem Werk geplant, mit einer Produktion, die rund um die Uhr läuft. Zweitens ist auch dieser Verbrauch noch enorm hoch und entspricht dem von einer kompletten Stadt mit 40.000 Einwohnern.
Anwohner, auch weiter entfernte, fürchten nicht nur um die generelle Überforderung der vorhandenen Ressourcen beim Trinkwasserverbrauch. Sie fürchten auch eine Minderung der Qualität ihres eigenen Trinkwassers, wenn schädliche Rückstände aus der Gigafactory in ihr Trinkwasser gelangen könnten. Dazu kommen Einwände zu den Themen Waldrodung und Verkehrsbelastung. Die zu rodende Fläche wurde dabei letztens von 150 Hektar auf 190 Hektar Kiefernwald erhöht. Dabei ist Tesla ohnehin gesetzlich verpflichtet, die zu rodende Menge an Bäumen an anderer Stelle wieder aufzuforsten. Dies wird auch geschehen, nimmt aber natürlich Zeit in Anspruch, bis die neuen Bäume jene Leistungen für den Umweltschutz, insbesondere die Bindung von CO2 erbringen können werden, wie es bei den nun bereits gerodeten Waldflächen der Fall war.
Neue Infrastruktur wird durch Gigafactory entstehen
Als Chance sehen viele Beobachter aber auch den Umstand, dass im Umfeld des so massiv Arbeitsplätze ermöglichenden Werks eine ganz neue Stadt entstehen wird. Planungen für Hotels laufen schon, auch Ansiedlungen von Arbeitern sind denkbar. Eine Stadt quasi aus dem Nichts, die ein ganz anderes Leben böte, als es zuvor in dem Waldgebiet stattfand. Der immense entstehende Güterverkehr allerdings würde auch zu großen Beeinträchtigungen führen. Lärm, Erschütterungen, Abgase und weitere Beeinträchtigungen wären an der Tages- (und Nacht-) Ordnung. Auch diesen Umständen begegnen viele voraussichtlich Betroffene äußerst skeptisch. Die Vielzahl der entstehenden Arbeitsplätze wird hingegen weitgehend außerordentlich begrüßt – selbst von Umweltschutzverbänden wie BUND oder NABU. Schließlich fallen gerade in dieser Region früher oder später etliche Arbeitsplätze im Bergbau weg. Wenn da Alternativen bereits geschaffen sind, blickt es sich doch deutlich entspannter in die Zukunft. Und die Grünen begrüßen die Ansiedlung ebenfalls als „Glücksfall“ für den Automobilstandort Deutschland – schließlich werden dort Elektroautos produziert, was wiederum den Druck auf die übrigen deutschen Autobauer erhöhe.
Scheitern kaum noch denkbar
Ein Scheitern des Projekts bleibt auch aus diesen Gründen extrem unwahrscheinlich. Eine „Riesenblamage für Deutschland“ wäre das, man würde zum „Spott der ganzen Welt“, urteilt dann auch ein Branchenexperte zu den Aussichten darauf, dass noch etwas dazwischen kommen könnte. Die größten Einwände, die sich um den Wasserbedarf des Werks und damit die Wasserversorgung der gesamten Region drehen, sind noch abzuwenden. Da Tesla aber bekannt ist für innovative Lösungen, wird auch diese Frage wohl zur Zufriedenheit der meisten Beteiligten gelöst werden können. Und dann wird sich vor den Toren Berlins ein riesiger Arbeitgeber niedergelassen haben, der die Struktur des direkten Umfelds massiv verändern wird.
Carla Bergmann arbeitet für die berlinerumschau.com als freie Redakteurin und prüft alle Beiträge vor ihrer Veröffentlichung eingehend auf Herz und Niere. Sie ist zudem selbst freie Autorin und zudem passionierte Wahlberlinerin. Sie schreibt über Dies und Das, aber am liebsten schreibt sie über Berlin – ihre heimliche Liebe.