Es ist kein Geheimnis, dass gerade die morbiden Plätze einer Stadt, einen besonderen Reiz ausüben. Berlin macht da keinen Unterschied und deshalb gibt es rund um die alte Siemensbahn und die alte Mälzerei in Tempelhof noch einiges zu entdecken…
Fabriken, verlassene Grundstücke und Parks
Vergessene Orte in Berlin? Was manch einem vielleicht als schlechter Witz in dieser sich ständig neu erfindenden Stadt erscheint, ist Realität, denn es gibt sie wirklich, die „Lost Places von Berlin“. Die Einen bezeichnen sie schlicht als Bruchbuden und bei den Anderen beginnt das Kopf-Kino zu spielen, denn alte, marode Fabriken oder verwilderte Gutshäuser und Botschaften lassen Geschichten lebendig werden – ob sie stimmen oder nicht. Berlin verfügt über eine Vielzahl solcher Ruinen, die nicht nur als „Foto-Modell“ einen guten Job machen, sondern auch auf Ruinen-Touren zu neuen Ehren kommen.
Orte, die magisch anziehen
Die alte, verwilderte Bahnstrecke in der Siemensstadt hat ihn genauso wie der Spreepark in Berlin, den morbiden Charme des Unbekannten und Geheimnisvollen, den viele Menschen lieben. Besonders der Kulturpark Plänterwald, heute der alte Spreepark genannt, hat ihn. Zu DDR-Zeiten 1969 pompös als Freizeitpark eingeweiht, gab es hier verschiedene Freizeitmöglichkeiten für die Bevölkerung.
Der Mauerfall brachte es mit sich, dass er modernisiert wurde und als „Spreepark“ seine Auferstehung feierte. Leider hat ihm dies nicht viel genützt, denn im Jahre 2002 folgte die Pleite. Bis in die heutigen Tage fungierte er aber als Abenteuerspielplatz mit der besonderen Note. Leider ist er auch von Zerstörung betroffen, sodass zu hoffen bleibt, dass der neue Betreiber, die landeseigene Grün Berlin GmbH, bald ein Konzept für dessen zukünftige Nutzung findet.
„007“ auf dem Berliner Teufelsberg
Ein ähnliches Schicksal ereilte die alte Abhöranlage, die sich auf dem Berliner Teufelsberg, einem Trümmerberg aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg von 1950 bis 1972, befindet. Der Kalte Krieg brachte es mit sich, dass die Amerikaner hier ihr Domizil aufgeschlagen hatten, um den großen Lauschangriff in Richtung Moskau zu starten. Kugelige Türme zeugen vom Geschehen der amerikanischen Administration in Sachen „007“. Der Trümmerberg rund um die legendäre Abhöranlage fungiert heute als der beste Ausblick auf Berlin, weit und breit. Das Olympiastadion, der Grunewald und der Alexanderplatz sind von hier aus zu sehen.
Im Winter kann man hier hervorragdend Schlitten fahren. Es gibt historische und stille Führungen auf dem Gelände. Zu Füßen des Hügels haben es sich Wildschweine längst gemütlich gemacht und das unheimliche Geräusch eines zerrissenen Plans ist weithin hörbar. Hier bildet der Geschichtszauber mit Ausblick, Verlassenheit und Stille eine unverwechselbare Location.
Verwunschene Ort, wie geschaffen für Künstler
Wie in einer anderen Welt zu sein, dieser Gedanke ist verlockend. Verlassene Orte sind nicht nur schön, sondern auch so faszinierend, dass es mittlerweile eine globale Bewegung gibt. „Urban Exploration“, das Entdecken der Stadt, ist auf dem Vormarsch und macht auch vor Berlin nicht halt, denn längst hat sich auch der Teufelsberg in eine Bühne für Künstler verwandelt. Sie können sich mit Graffiti und Street-Art ausprobieren, so dass viele verwunschene Orte schon nicht mehr als Geheimtipp gelten können. In diese Kategorie fällt das Ballhaus in Grünau, genauso wie das Stadtbad von Lichtenberg oder die verlassene irakische Botschaft in der Tschaikowskistraße in Pankow, die auch schon bessere Zeiten gesehen hat.
„Die vier Ritter“ und andere Faszinationen
Verlassene Orte üben eine Faszination aus, die nur sehr schwer zu beschreiben ist, natürliche Farbspiele gehen nur allzu oft eine gelungene Liaison mit morbidem Charme ein. Fotodokumente, zum Beispiel aus den Beelitzer Heilstätten in Brandenburg, belegen diesen Aspekt eindrucksvoll. Wo in früheren Zeiten Tuberkulose-Kranke ihr Dasein fristeten, verbreitet sich heute dieses nicht zu erklärende Verwunschene, der Charme des Verlassenen.
Man kann sich noch vorstellen, wie es hier früher ausgesehen haben mag. Einen neuen Lost Place symbolisiert auch die Alte Mälzerei in Tempelhof. Ihr Spitzname „Die vier Ritter“, gibt die Richtung schon ein wenig vor, denn ihre vier riesigen Schornsteine zeugen von der harten Arbeit vergangener Tage.
„Die vier Ritter“ sind eigentlich gar keine Schornsteine, sondern sogenannte Darrefaxe, also Abluftöffnungen der ehemaligen Trocknungsanlage. Unter Denkmalschutz stehend, kann hier eine alte Mälzerei besucht werden, die als Produktionsanlage erst seit 1996 geschlossen wurde. Inzwischen wurde nun von Seiten eines finanzstarken Investors saniert, so dass Kultur und neue Nutzer hier Einzug halten konnten.
Auch das große Hauptgebäude wurde ab 2013 innerhalb von 2 Jahren restauriert. Künstlerateliers, Ausstellungen, Workshops und andere Veranstaltungen machen den ehemals verwunschenen Ort zu einem immer stärker belebten Platz mit nostalgischem Charme.
Die Siemensbahn, vor Jahrzehnten ein Wunderwerk der Technik
Last but not least noch ein Blick auf die alte Siemensbahn, denn auf ihrer legendären Trasse macht sich auch die Natur breit. Wer die Schienen als Flaniermeile benutzt, kommt irgendwann an einem rostigen Tor an, dessen Weg im S-Bahnhof Wernerwerk endet. Auch dieser „Geisterbahnhof“ hält, was er verspricht, den Charme vergangener Tage, deren Geschichte zwischen 1927 und 1929 begann.
Die 4.5 km lange Trasse fungierte als Hochbahntrasse und verband den Bahnhof Jungfernheide mit den Bahnhöfen Gartenfeld, Siemensstadt und Wernerwerk. Der 2. Weltkrieg machte vieles zunichte, so dass erst ab 1956 wieder zweigleisig gefahren wurde. Der zwischenzeitliche Umzug des Hauptsitzes von Siemens nach München brachte der Siemensbahn rote Zahlen ein, so dass 1980 das endgültige „Aus“ beschlossen wurde. Da auch die Siemensbahn unter Denkmalschutz steht, ist ein Abriss ausgeschlossen. Es gibt sogar Pläne, die alte Strecke wieder in Benutzung zu nehmen.
Lost Places in Berlin, die an Originalität nicht zu übertreffen sind. Bleibt zu hoffen, dass ihnen weiterhin ihr unwiderstehlicher Charme erhalten bleibt.
Carla Bergmann arbeitet für die berlinerumschau.com als freie Redakteurin und prüft alle Beiträge vor ihrer Veröffentlichung eingehend auf Herz und Niere. Sie ist zudem selbst freie Autorin und zudem passionierte Wahlberlinerin. Sie schreibt über Dies und Das, aber am liebsten schreibt sie über Berlin – ihre heimliche Liebe.